Im Gespräch mit: Borussia Mönchengladbach (Teil 2)

12. April 2022

Seid ihr mit den anderen Vereinen im Austausch? Hat sich in der Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen etwas geändert? 

Tim Janssen: Ja, definitiv. Vorher konnten wir neidisch zu anderen Vereinen gucken und haben uns auch ausgetauscht, aber letzten Endes waren wir immer auf unserer einsamen Insel und konnten nicht, zumindest in den wenigsten Fällen, davon profitieren was andere Vereine, gerade in Kombination mit euch, zusammen entwickeln. Jetzt sind wir mit den Kollegen im Austausch und überlegen, was wir gemeinsam bei euch anbringen könnten. Wir wissen ja, dass ihr offen dafür seid, wenn es der Allgemeinheit dient und euer Produkt nach vorne bringt. Von daher wären wir dumm, wenn wir uns nicht austauschen würden. Zumal man sagen muss, dass wir in unserem Bereich ja mit den anderen Vereinen nicht konkurrieren müssen. Wir sind Kollegen. Ich habe nichts davon, wenn der 1. FC Köln weniger Tickets verkauft. 

Matthias Schulz: Arminia Bielefeld ist zum Beispiel ein Verein, mit dem wir uns häufig austauschen, wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis. Da kam das Thema Auswärtstickets auf den Tisch. Wir möchten unnötige Arbeit vermieden, wir mögen kein Papier und möchten eine digitale Lösung haben. Wir nutzen das gleiche System, es gibt von beiden Stadien den Saalplan und das Ticketlayout im System.

Wir hatten mehrere Gespräche mit Saša, Torsten und Miri aus Bielefeld. Am Ende ist die Möglichkeit rausgekommen, dass du in deinem eigenen Onlineshop für das Auswärtsspiel im Saalplan buchen kannst. Auch für dieses Features gab es echt gutes Feedback. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich im Onlineshop teste und der Saalplan vom gegnerischen Stadion auftaucht, weil ich das super charmant finde, auch bei Auswärtsspielen platzgenau buchen zu können. Früher hast du eine Karte gekauft und bist irgendwo hingesetzt worden. Heute bekommst du deinen ausgewählten Platz direkt als Print@Home-Ticket.

Jetzt seid ihr mal dran. Drehen wir den Spieß mal um:

 

Was war eure Reaktion und Erwartungshaltung als ihr gehört habt, Borussia Mönchengladbach könnte euer Kunde werden? 

Saša Djordjevic: Ich war gerade im Urlaub. Torsten hatte mir eine WhatsApp geschickt: „Wir kriegen wahrscheinlich Borussia Mönchengladbach." Ich habe mich total gefreut, denn ich kannte Tim schon von unzähligen Workshops. Von dir, Matthias, habe ich von dem Kollegen Tim gehört. Er sagte, dass du eine Eishockey Vergangenheit hast. Und ich habe mich total gefreut, weil es ein spannendes neues Projekt war. Den Weg gemeinsam zu gehen, aus den alten Strukturen heraus etwas Neues zu entwickeln. Mit euch diesen Wandel einzuleiten, den ihr ein Stück weit beschrieben habt. 

Torsten Wessels: Um noch einmal zur Entscheidung zurückzugehen. Ich konnte es erst nicht glauben. Wir haben ja immer wieder gesprochen. Aber dann ging es plötzlich schnell. Und es gab viele Veränderungen bei euch: Nicht nur im Ticketing, auch die Zutrittskontrolle und der dazugehörige Prozess. Wenn man Software einkauft, muss man immer etwas Flexibilität zeigen, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Man kann nicht immer mit alten Zöpfen arbeiten, die muss man abschneiden und das ist euch echt gut gelungen. 

Matthias Schulz: Für mich ist das der Inbegriff von Partnerschaft auf Augenhöhe. Also niemand ist besser als der andere. Es setzt sich niemand hin und sagt wir sind Borussia Mönchengladbach, deswegen habt ihr das so und so umzusetzen. Wir versuchen immer eine gemeinsame Lösung zu finden. 

 

Was sind denn in den kommenden Jahren so die größten Herausforderungen. Was glaubt ihr welche Themen euch im Ticketing in den nächsten Jahren beschäftigen werden?

Tim Janssen: Wir glauben gar nicht, dass es viele Sachen technischer Art geben wird. Sondern, dass das Stadionerlebnis als solches mehr in den Vordergrund rückt. Zukünftig musst du mehr bieten als einfach nur 90 Minuten Fußball. Da gehört sicherlich schon der einfache Kauf von Tickets dazu, das haben wir jetzt hinbekommen. Aber wir müssen uns rund um das Stadion und um das Spiel sicherlich noch mehr einfallen lassen. Wir sagen immer, dass die Fans früh anreisen sollen. Aber was machen die bis zum Anpfiff? Das wird sicherlich eine Herausforderung werden. 

Matthias Schulz: Wir haben uns in den letzten zwei Jahren technisch im Ticketing komplett neu erfunden. Es hat sich so viel getan, so viel weiterentwickelt und wir nutzen sehr viel von dem, was uns zur Verfügung steht. Aber wir nutzen nicht alles. Stichwort: Digitale Dauerkarte. Bei uns ist das Mobile Ticket schon revolutionär, da wir bis letzte Saison hierzu technisch nicht in der Lage waren. Irgendwann wird die Mobile Dauerkarte und Tickets in der App auch ein Thema werden. 

Zudem sitzen wir sehr regelmäßig mit den Marketingkollegen zusammen. Bis jetzt haben wir noch nie eine Aktion mit Promotioncodes gemacht. Das ist eine Sache, die bei etlichen Vereinen im Einsatz ist. Wir haben ganz viele Steigerungsmöglichkeiten, die das System standardmäßig bietet. 

Ein Thema, das auch bei uns stark in den Fokus rückt, ist das Thema Fanbindung. Es gibt eine Studie nach der anderen, die sagt der Fan entwöhnt sich vom Fußball, deswegen wird das ein ganz wichtiges Element bei uns werden. Wir müssen den Fans wieder viel mehr ins Boot holen, ein Stimmungsbild einholen und letztendlich Stellschrauben finden, an denen wir drehen können. Wir können jetzt auch endlich eigenständige Ticketing-Newsletter verschicken. Die Eisbären Berlin haben schon vor zwölf Jahren Vorträge dazu gehalten, aber wir aus dem Ticketing haben das nicht genutzt. Jetzt sind wir erstmalig in der Situation, dass wir darüber sprechen können. Wir reden so schön von der Customer Journey. Die Customer Journey darf nicht nach dem Ticketkauf enden, wir müssen den Fan weiter bespielen und ihn nicht sich selbst überlassen.

 

Ist es nicht ziemlich gewagt den Fan zu fragen was er verbessert haben möchte? 

Matthias Schulz: Man muss mit der Antwort umgehen können, die man bekommt. Wer Fragen stellt, bekommt auch Antworten. Das ist uns bewusst, aber ansonsten beruht alles nur auf subjektivem Empfinden. Du bekommst sonst nicht alle abgeholt, deswegen ist es wichtig ein breites Meinungsbild zu bekommen.

Saša Djordjevic: Was mich interessieren würde: Ihr seid ein Verein mit viel Tradition, der mit dem neuen Borussia Park ein modernes Stadion besitzt. Ich meine das Areal ist fantastisch. Ihr habt den Digital Circle, ihr seid bei einem neuen Ticketing-Dienstleister, ihr habt eine App… 

 

Habt ihr auch bei euren Fans in den letzten Jahren einen Wandel erlebt? Habt ihr gemerkt, dass der Fan mehr will? 

Tim Janssen: Wir haben einen hohen Altersschnitt. Uns fällt es schwer junge Leute für Borussia Mönchengladbach zu begeistern, weil wir gar nicht die Möglichkeit hatten vernünftige Angebote zu schaffen. Damit rede ich jetzt nicht von Fan Experience, sondern generell von preisgünstigeren Angeboten. Wenn du die 14-18-Jährigen ins Stadion holen willst, kannst du nicht davon ausgehen, dass sie so zahlungskräftig sind, dass sie sich direkt ein Ticket auf der Haupttribüne kaufen können. Die wollen eher einen Stehplatz haben. Das sind Sachen, an denen wir arbeiten. Wir fragen uns, wie wir Angebote für junge Leute und Familien schaffen können. 

Zudem ist es wichtig Umfragen unter den Fans, die uns nahestehen, aber die nicht ins Stadion kommen, zu machen. Die gehen uns bislang komplett durch. Wir vermuten immer nur, aber wissen nicht. Und dem wollen wir auf den Grund gehen.

Saša Djordjevic: Der Fußball hat in der Vergangenheit wirklich nicht das Problem gehabt sich öffnen zu müssen, weil sowieso alle gekommen sind. Jetzt wandelt sich das. Du musst offen für alles sein. 

 

Wie sieht es bei euch derzeit aus? Müsst ihr Fans zurückgewinnen?

Torsten Wessels: Das Thema find ich wirklich spannend. Denn man muss auch beachten, dass Borussia Mönchengladbach ein Verein ist, der Leute aus dem Umland zieht. Und die Leute musst du nach der Pandemie wieder zurückgewinnen. Die haben sich zwei Jahre vom 14-tägigen Stadionbesuch entfernt und gelernt sich vor den Fernseher zu setzen, wenn es geht mit Nachbarn oder Freunden. Die musst du aktivieren, um regelmäßig ins Stadion zu kommen. 

Matthias Schulz: Definitiv. Die Fans aus dem Umland spielen für uns auch eine wichtige Rolle. Wenn du dir unsere Auswärtsspiele anschaust, kannst du sehen, dass wir es eigentlich nahezu immer geschafft haben, den Gästeblock auszuverkaufen. Da sind wir einer der wenigen Vereine in der 1. und 2. Bundesliga. Aber trotzdem gibt es beim Fan nicht den Schalter, den man einfach umlegen kann. Den gibt es nirgendwo. Der Fan denkt sich nicht plötzlich, es ist wieder alles normal, ich fahr wieder zur Borussia. Von daher müssen wir hier noch einige Hausaufgaben machen, um unsere Fans, ob auswärts oder für die Heimspiele zu reaktivieren. 

Saša Djordjevic: Ja, das wird auf jeden Fall kein Schalter sein, sondern ein schleichender Prozess, bei dem wir euch gerne begleiten. Vielen Dank für das Gespräch!