Im Gespräch mit: Borussia Mönchengladbach (Teil 1)

12. April 2022

Seit über einem Jahr nutzt Borussia Mönchengladbach die SaaS-Lösung EVENTIM.Tixx für das Ticketing. Unsere beiden Consultants Torsten und Saša, die gleichzeitig auch die ersten Ansprechpartner für den Club sind, haben mit den Kollegen in Gladbach Matthias und Tim gesprochen. 

Saša Djordjevic: Matthias, du warst vor deiner Station in Gladbach bereits im Eishockey tätig.


Was sind die größten Herausforderungen oder Unterschiede eines Fußballvereins in der 1. Bundesliga im Vergleich zu deinen vorherigen Stationen bei der DEG und den Krefeld Pinguinen?

Matthias Schulz: Die Unterschiede sind gigantisch groß. Ich habe mich, als ich hier bei Borussia angefangen habe, gefragt, ob ich wirklich schon einmal im Ticketing gearbeitet habe. Zum Vergleich: In Düsseldorf waren wir zu Zwölft, in Krefeld zu Sechst und in Gladbach sind wir 300 Mitarbeiter.
Das andere ist das Thema Stadion. Von 12.000 Zuschauern in Düsseldorf, zu 8.000 Zuschauer in Krefeld und auf einmal zu 54.000 Zuschauer in Gladbach. Das ist organisatorisch eine andere Hausnummer. Auch die Aufmerksamkeit, die dahinter liegt, ist eine ganz andere. Im Eishockey schaltest du den Vorverkauf irgendwann im Sommer frei, es gibt keinen großen Hype. Jeder kauft seine 3-4 Tickets über die Saison verteilt. Aber die Situation mit einem Vorverkaufstermin, bei dem gefühlt 100.000 Menschen auf den Onlineshop zugreifen, die gibt es nicht. Zudem gibt es im Eishockey kein Auswärts.

Saša Djordjevic: Das kann ich mir vorstellen.

 

Wie ist es mit dem „Kampf“ Tickets verkaufen zu müssen? Der Fußball hatte früher ein Luxusproblem, bei dem man schauen musste, wen man überhaupt reinlässt. Im Eishockey ist das schon immer eine größere Herausforderung gewesen…

Matthias Schulz: Das ist richtig. Im Eishockey war es ein Kampf um jeden Zuschauer. Gerade wenn du zu Saisonbeginn, wo die Menschen noch in kurzer Hose und T-Shirt rumlaufen, unter der Woche spielst. Aber auch im Fußball ist es so. Borussia Mönchengladbach hat eine gute Auslastung. Aber wir waren vor der Pandemie nicht bei jedem Spiel ausverkauft. Du musst dir die Frage stellen, ob du bei jedem Spiel ausverkauft sein musst oder dich zufriedengibst, wenn du Dienstagsabend, kurz vor Weihnachten, 40.000 Zuschauer im Stadion hast.

Saša Djordjevic: Kommen wir zu dir, Tim. Du bist schon etwas länger als Matthias bei der Borussia und hast auch schon sehr viele Sachen mitgemacht im Ticketing. Früher war Ticketing nur Kartenverkauf. Mittlerweile ist das viel größer. 


Was waren für dich die größten Gamechanger im Ticketing die letzten Jahre?

Tim Janssen: Ich glaube du kannst das Ticketing heutzutage, mit dem von früher gar nicht mehr vergleichen. Wenn ich sage früher, dann muss man wissen, dass ich seit 22 Jahren für die Borussia arbeite. Das heißt, ich bin noch ein Kind des Bökelbergs. Das ist zugleich Fluch und Segen. Zu meiner Anfangszeit haben die Leute per Fax Tickets bestellt. Da gab es kein Onlineportal. Das muss man sich mal vorstellen.
Eine Anekdote: Als wir 2001 in die erste Liga aufgestiegen sind, kam unerwartet der Spielplan. Das war an einem Freitagnachmittag, du hast dich auf das Wochenende gefreut und plötzlich kam per Fax der Spielplan rein. Dann war das erste Heimspiel auch noch gegen den FC Bayern. Es gab keinen offiziellen Vorverkaufsstart. Da hieß es nur, so schnell wie möglich Papier ins Fax nachzulegen, weil jeder 1, 2, 3, 4 Tickets geordert hat. In den folgenden Wochen kamen Briefe an, teilweise mit Bargeld oder Schecks. Unvorstellbar. Die Tickets hast du den Leuten dann per Post zugeschickt und geguckt, dass sie am Spieltag irgendwie reinkommen. Die Tickets wurden auch nicht gescannt, sondern nur abgerissen. Dadurch hast du aber natürlich nicht gewusst, wie viele letztendlich im Stadion sind.
Wenn man das jetzt in die heutige Welt projiziert, mit Onlineshop, mit Zweitmarkt, mit Mobile Tickets und einer elektronischen Zutrittskontrolle, dann ist das natürlich eine ganz andere Welt. Die größte Herausforderung ist, sich selbst immer auf den Stand zu halten, aber auch die Fans mitzunehmen und sie nicht zu überfordern.
Ein weiterer Gamechanger ist der Faktor Sicherheit. Das Attentat in Paris vor ein paar Jahren war einer der Auslöser, der uns vor ganz neue Herausforderungen gestellt hat. Beim Thema Sicherheit ist es nicht mehr damit getan zu schauen, ob du ein gültiges Ticket hast. Du hast über 50.000 Fans, die du sicher ins Stadion rein und auch wieder aus dem Stadion rausbekommen muss.

Saša Djordjevic: Ihr habt schon berichtet, dass sich in den letzten Jahren die technologischen Voraussetzungen und Erwartungen stark geändert haben. Wir arbeiten jetzt seit knapp einem Jahr im Bereich des Ticketings zusammen, vorher habt ihr lange Zeit mit einem anderen Anbieter gearbeitet.

 

Könnt ihr sagen was die Motivation und der Auslöser war, einen Anbieterwechsel vorzunehmen?

Tim Janssen: Wir haben festgestellt, dass wir mit unserem damaligen Anbieter an Grenzen gestoßen sind. Wir saßen lange auf einer einsamen Insel, auf der wir nur für uns selbst entwickelt haben. Und von der mussten wir weg. Wir brauchten einen Partner, der Kompetenz besitzt, uns Input gibt, der Referenzen hat und der uns in unserer Vernetzung weiterbringt, sodass das keine Einbahnstraße mehr ist. Auf dem Weg zur Entscheidung für einen neuen Ticketing-Dienstleister haben wir uns natürlich auch mit anderen unterhalten, aber schnell feststellen müssen, dass wenn wir den Wechsel machen, es nur mit euch gehen kann. Und wir bereuen diese Entscheidung zu keiner Sekunde. Am Anfang mussten wir intern viel Überzeugungsarbeit leisten, das haben wir gemeinsam mit euch getan und mittlerweile sind alle im Hause sehr froh, dass wir den Weg letztes Jahr so eingeschlagen haben.


Was war denn das dickste Brett, das ihr bohren musstet? Was waren eure größten Sorgen im Rahmen des Projektes?

Tim Janssen: Wir haben vor fünf bis sechs Jahren einen Weg eingeschlagen, in den sehr viel investiert wurde. Da ist es schwierig sich selbst einzugestehen, dass es vielleicht doch der falsche Weg gewesen ist und man sich im Ticketing neu erfinden muss. Dieses Eingeständnis, dass wir noch einmal Veränderungen herbeiführen müssen, war sicherlich das Schwierigste.

Matthias Schulz: Man muss dazu sagen, dass wir uns da selbst sehr gut reflektiert haben. Wir haben geschaut, was wir zu dem Zeitpunkt hatten, was die Voraussetzungen für die Zukunft gewesen sind und was für Herausforderungen vor uns standen. Bei dieser Analyse haben wir festgestellt, dass wir es mit dem damaligen Setup im Ticketing sehr schwer gehabt hätten, um in Zukunft überhaupt den Tagesbetrieb am Laufen zu halten, geschweige denn irgendeine Weiterentwicklung vorantreiben zu können

 

Was hat sich für euch mit dem Wechsel zu EVENTIM Sports geändert?

Matthias Schulz: Ich glaub das Zauberwort dahinter ist: Prozesse. Die Prozesse haben sich geändert – im ganzen Haus. Es gibt Auswirkungen auf die Buchhaltung, auf das Service Center, auf den Fan Shop, auf die Tageskassen etc. Wir kommen von einer Lösung, die total individualisiert war. Wenn du eine Idee hattest, bist du zu unseren Softwareentwicklern gegangen und hast denen gesagt „XY wünsche ich mir, wann ist das fertig?“. Jetzt musste für viele ein komplett neuer Prozess aufgesetzt werden, der sicherlich erst einmal etabliert werden musste. Deswegen ist es nötig, die Kollegen immer wieder bei Laune zu halten.
Wir wussten, worauf wir uns einlassen. Wir wussten, dass wir von “wünsch dir was” zu einem großen Konzern kommen, mit etlichen Kunden, wo es nicht mehr “wünsch dir was” gibt. Wünsche die man äußert, werden auch umgesetzt, aber das dauert jetzt natürlich länger. Aber das Gute ist, ihr wisst bei einigen Sachen, dass sie nicht mehr ganz zeitgemäß sind. Auch in eurem System gibt es Dinge, die angepackt werden müssen, die überarbeitet werden müssen, aber es findet ja auch eine stetige Entwicklung statt.

Tim Janssen: Prozesse sind das eine, aber man darf natürlich auch nicht vergessen, dass wir auch von den Personen profitieren. Wenn wir mit unserem Latein am Ende sind, greifen wir zum Hörer, rufen einen von euch an und bekommen immer eine kompetente Antwort. Sei es auch am Wochenende oder spätabends und das ist natürlich extrem wichtig. Unser Kerngeschäft ist am Wochenende. Wir wissen, wir haben Expertise auf eurer Seite und nicht nur das, sondern auch Leidenschaft.

 

Wie geht es euren Softwareentwicklern? Was habt ihr von denen gehört?

Tim Janssen: Was unseren Bereich betrifft, schläft der mittlerweile beruhigt. Er hat jetzt andere Baustellen, die aber mit dem Ticketing relativ wenig zu tun haben. Ich habe schon lange keine E-Mail mehr morgens um 3 Uhr von ihm bekommen. Das ist ein gutes Zeichen.

Matthias Schulz: Aber das liegt auch daran, weil er keine schlaflosen Nächte mehr vor den Vorverkäufen hat.

Saša Djordjevic: Du aber ja auch nicht, du hast mir ein Foto von deinem Risotto geschickt, während der Vorverkauf gestartet ist.

Gibt es denn irgendwelche Dinge, die ihr herausheben würde? Gibt es einen Knopf, für den ihr besonders dankbar seid?

Matthias Schulz: Ja, gerade das Thema Coronamaßnahmen ist wichtig. Wir haben unsere Zusammenarbeit zu der Zeit begonnen, in der es gefühlt jede Woche neue Maßnahmen gab. Das Thema Spiele kopieren, aber auch Saalplaneinrichtung, das ist alles deutlich einfacher geworden. Oder das Thema Massenstorno, ein wunderschönes Thema bei uns. Deswegen glaube ich, dass wir aus Ticketing-Sicht bis jetzt extrem gut durch die Pandemie gekommen sind. Und, dass wir einen starken Partner dazugewonnen haben. Das klingt immer so blöd, aber ich erinnere mich an den Call mit Saša spätabends, vor unserem Bayern Vorverkauf zum ersten Saisonspiel. Das ist alles andere als selbstverständlich, aber hätte es diesen Call nicht gegeben, hätten wir am nächsten Tag ein großes Problem gehabt, weil wir vergessen hatten, 500 Tickets zu reservieren.

Tim Janssen: Die Performance, die vergisst man ja, weil es so schnell selbstverständlich wird. Wenn ich an die Zeiten zurückdenke, als du bei jedem Vorverkaufsstart Blut und Wasser geschwitzt hast. Jetzt schaltest du den Vorverkauf frei und es ist für uns ein beruhigendes Gefühl zu wissen, um 18:00 Uhr geht es los und dann läuft das um 18:00 Uhr. Ebenso ist es für den Fan, der ein Ticket kaufen möchte, unfassbar einfach geworden. Das waren große Schmerzen, die der Fan, aber auch wir ertragen mussten. Wenn der Fan den halben Vormittag auf der F5 Taste gehangen hat und nie zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen ist, ist das jetzt eine andere Welt. Das sorgt dafür, dass der Fan äußerst zufrieden ist. Den interessiert nicht, was dahintersteckt, ihn interessiert, dass es funktioniert. Der will sein Ticket haben oder zumindest schnell die Info bekommen, dass er leer ausgeht.

Matthias Schulz: Das Schöne ist: Wir haben gerade darüber gesprochen, dass Kritik sehr leicht zu äußern ist. Nach den ersten Vorverkäufen mit euch haben wir uns wirklich die Augen gerieben. Die Leute haben uns für den Ticketverkauf auf den Social-Media-Kanälen gelobt.

Da saßen unsere Fans mit 5 Fragezeichen vor dem Computer und haben sich gefragt: “Wie kann das denn sein, dass der gesamte Kaufprozess geklappt hat?”

Und nicht nur, dass die Fans eine Verbesserung spüren. Wir müssen auch an uns denken, wie wir intern arbeiten, wie die Kollegen arbeiten, wie jeder mit dem System arbeiten kann. Das ist für uns deutlich bequemer, einfacher und performanter geworden.

Wie Matthias und Tim die Zukunft des Fußballs und Ticketings sehen, liest du im zweiten Teil unseres Interviews.